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Lange Kunstnacht im Café - 16.09.2023

Kunst und Wasser in Symbiose

Barbara Koopmann hatte zu einem dreistündigen Lesemarathon ins Café FilmBühne eingeladen. Seit einigen Jahren bietet Frau Gilk den Schreibenden und Lesenden aus dem Landsberger Autorenkreis einen Ort der Ruhe am Rande des turbulenten Altstadttreibens in der Langen Kunstnacht. Barbara Koopmann begegnete den Autorenfreunden in einer eigenen Doppelrolle in dem kleinen Café, als hier ausstellende Künstlerin und als Moderatorin der Lesungen (vgl. das Plakat).

In ihrer Einführung thematisierte sie beides, mit dem Schwerpunkt auf Kunst, hier nicht nur die eigenen Acrylgemälde und Collagen – die aufziehenden Nebel zeigten und Gischt mit Biss oder den Bogen schlugen vom Fluss zur Stadt – und die Leihgabe der Ammersee-Künstlerin Kathleen Canady „Hommage an die Schönheit des Wassers“, ausgeführt in schwungvollen Pinselstrichen in Öl. Sie nahm auch Bezug auf die 5. Ausstellung des renommierten Ai Weiwei „Know thyself“, die ab heute in Berlin gezeigt wird: Sich immer wieder neu erfindend, pixelt er berühmte Gemälde mit Legosteinen auf, eigenwillig abgewandelt in Bezug auf aktuelle soziale und politische Themen. Ein Kunstwerk sei etwas, was nur einmal so entstehen kann, in dieser Zeit, in diesem Raum, von diesem Künstler. So hat auch sie bei sich selbst einen steten Wandel im Schaffen beobachtet. Den Betrachter freut es, diesen Eigenheiten in dem im Raum gehängten und auf kleinen Staffeleien auf den Tischen Präsentierten zu entdecken.

Und dann holte Barbara Koopmanns Lesebeitrag zu einer minutiösen Schilderung von Lore Kienzls aktueller Ausstellung zu Stationen im Leben eines Menschen aus. Vor wenigen Tagen erst begann sie, und was das Auge in Raku, Bronze und Holz schaute, das Ohr aus den Improvisationen der Musiker heraushörte und Kuratorin Weißbrodt bei der Vernissage anklingen ließ, verwob sich in der Künstlerin Koopmann zu einem dichten Nachempfinden, das sie noch am selben Tag zu Papier brachte. Bei der Lesung ihres Textes fühlten sich die Besucher im Café mitgenommen in den Ausstellungsraum im Malura-Museum Oberdießen und erlebten hautnah den Erzählfluss zwischen den Momentaufnahmen eines reichen Lebens. Lore dankte Barbara herzlich für diese weitgehend mit ihrem eigenen Empfinden übereinstimmende Beschreibung.

Die Lesungen der Autorenfreunde starteten mit Gedanken zur Kunst von Klaus Wuchner, gefolgt von einer Betrachtung von Thomas Glatz zur Kunst von Banksy, die das Vergängliche zelebriert. Längst verflossen war auch, was Gastleser Volker Gold zum Besten gab; erstmals im Autorenkreis, hatte das Los ihn zu dieser frühen Darbietung seiner Verse zu Ereignissen im Mittelalter bestimmt. Hannelore Warreyn zerlegte die Kunst in die Rezeption durch Sehen, Hören, Fühlen und ließ sie im Werk eines Bildhauers Form annehmen.

Martje Herzog erinnerte in ihrem Beitrag an die Kunst der Stille in der Pantomime des Marcel Marceau ebenso wie an den verstorbenen Autorenfreund Günter Bohn mit seinem Farbeimer in einer Klasse von Chaos-Kunst. Die Limericks von Corinne Haberl entsprangen der Ars dictandi, der Kunst des Schreibens, die seit dem Mittelalter eine beachtliche Entwicklung vollzogen hat. Dr. Boris Schneider griff aus seiner Märchentruhe das spannende russische vom geflügelten Wolf heraus, in dem ein Zarensohn sich viel vom toten und lebenden Wasser erhofft.

Frits Schmid, der bereits 1999 eine Ausstellung zum Thema „Wasser – Wunderwasser – Wasserwunder“ hatte, las aus seinem Zyklus „Zeitenwende“ das Gedicht „Perlmutter“. Damals, als Chips und Künstliche Intelligenz kaum mehr waren als visionäre Gedankengänge, erkannte er, dass Wasser nicht nur Leben bedeutet, sondern auch enorme Speicherkraft hat, wobei der diese in eine Perle verlegt. Eine Kahnfahrt mit der Großmutter aus seinem autobiografischen Roman „Genezareth und Plöne“ schloss seine Lesung ab.

Klaus Wuchner ließ daraufhin mit einem Projekt effektvollen Gestaltens seine Gedanken kreisen. Ihm folgte Carmen Kraus mit Wasser in verschiedenen Zuständen, kunstvoll verwoben in Versen zu den Wogen des Ammersees, dem Tränensee beim Abschied, dem Platschen eines unerlösten Froschkönigs, dem Winterschlaf der Farben in einer Schneeflocke, Beziehungen wie Feuer und Wasser und dem Weinen der eigenen Zellen angesichts des Leides von Mensch und Natur in der Welt von heute.

„Was ist also Kunst?“, fragte die Moderatorin nach den vielfältigen Beiträgen und rief auf zur Diskussion. Um die Gedanken aus der Abstraktion herauszuheben, stellte sie eine Bilder-Collage aus 25 kleinformatigen Leinwandquadraten in einem Setzkasten zur Schau. Bemalt mit liebevoll gestalteten Miniaturen in Sepia-Tönen, können diese in beliebiger Reihenfolge umgestellt werden und erzählen dem einfühlsamen Betrachter so immer wieder neue Geschichten.

Auf den Punkt brachte es Rudi Fichtel: „Entscheidend ist nicht, was man in abstrakter Kunst sieht, sondern was man dabei empfindet.“ Als er dann an die Pressemeldung von 2005 erinnert, wonach Gemälde von Affen von Galeristen in fünfstelliger Höhe bepreist wurden, lässt Klaus Wuchner ihn seine Geschichte „Kunsterlebnis“ lesen, die genau darauf Bezug genommen hat. Später, 2016 waren dann „Tierisch gute Kunstwerke“ für weit weniger zu haben.

Dem stetig wechselnden Publikum in der Langen Kunstnacht las Volker Gold ein weiteres Mal aus seinem Buch „Wach auf, Europa“ vor. Manche Verse zur Gründungszeit der EU – „Wach auf, Europa!“, „Mehr Mut ist nötig“ – behalten bis heute Gültigkeit. Ein ergänzender Einwurf von Klaus Wuchner führt wieder in eine angeregte Diskussion, die den reichhaltigen Abend beendet.

Moderatorin Barbara Koopmanns Gesicht hatte der Abend noch heller zum Leuchten gebracht. Das Kommen und Gehen zu anderen Veranstaltungen übten auch die Autoren aus, so dass es nie zu eng wurde in dem kleinen Café. Manch einer ließ sich zum Essen nieder und verfolgte so über längere Zeit die Lesungen, anderen spitzten nur für wenige Minuten herein. Auch Monika Sadegor schaute vorbei, die vor wenigen Monaten noch den Landsberger Autorenkreis geleitet hatte und vor Kurzem ihre Romanbiografie zur Herkomer-Tochter Gwenddydd auch in Bushey vorgestellt hat – wo der Maler Hubert von Herkomer vor 140 Jahren eine gut besuchte Kunstschule gegründet hatte, etwa zur gleichen Zeit, als er in Landsberg am Ufer des Lechs den Mutterturm errichtete. Kunst und Wasser harmonieren in Landsberg schon lange …

Carmen B. Kraus


Fotos: die Künstler