Lange Kunstnacht: 20 Jahre Autorenkreis 21.9.2024
Kurzversion für Presse und Eilige:
Ein Marathon der Vielfalt zum Jubiläum
20 Jahre besteht nun schon der Landsberger Autorenkreis und Gründer Helmut Glatz hätte wohl ein feuchtes Auge bekommen. Leider hat er dieses Jubiläum nicht mehr erlebt, nur die „Volljährigkeit“. Von ursprünglich neun ist der Kreis auf über 40 Autoren angewachsen. Einige der ersten Stunden sind heute noch dabei, etwa Klaus Wuchner, Rudi Fichtl und Corinne Haberl.
In der 24. Langen Kunstnacht am 21. September 2024 um 19 Uhr eröffnete Barbara Koopmann im Café FilmBühne Landsberg den Leseabend mit 14 Autoren. Bis nach 22 Uhr ging der Lesemarathon. Begleitet haben ihn einige Zaungäste, die sich ein paar Minuten Zeit für diesen Ruhepol im quirligen Treiben der Kunstnacht nahmen, und andere, die sich gemütlich ausruhten, bei Frau Gilk ein warmes Essen oder ein kaltes Getränk bestellten und sich selbst ein Bild von den unterschiedlichen Ansätzen und Ausführungen der Prosa und Lyrik dieser Autoren aus dem Umkreis von Landsberg machten.
Roland Greißl, auch nahe dran am Status „ältestes Mitglied“, beendete mit einer kurzen Ansprache die Lesungen. Das reduzierte Konzept für den Abend sollte maximale Vielfalt ermöglichen und es war aufgegangen, stellte er fest: Der Autorenkreis lebte und pulsierte ununterbrochen über mehr als drei Stunden.
Am 11. Oktober wird erneut zu Frau Gilk eingeladen. Dann werden die jüngsten Bücher der Autoren vorgestellt und es wird wieder gelesen. Die Überraschungstüte für Zuhörer öffnet sich erneut. Vielleicht sind dann auch solche dabei, die das Erleben aus der Kunstnacht nochmal auffrischen wollen. Sie sind immer willkommen, zu allen öffentlichen Lesungen. Wer also Lust hat, in gemütlicher Runde Gedichte oder Geschichten vorzustellen oder einfach anzuhören, ist herzlich eingeladen!
Die lange Version für Genießer:
Ein Marathon der Vielfalt zum Jubiläum
20 Jahre besteht nun schon der Landsberger Autorenkreis und Gründer Helmut Glatz hätte wohl ein feuchtes Auge bekommen. Leider hat er dieses Jubiläum nicht mehr erlebt, nur die „Volljährigkeit“. Von ursprünglich neun Autoren und elf Anwesenden ist der Kreis auf über 40 Autoren angewachsen. Einige der ersten Stunde sind heute noch dabei, etwa Klaus Wuchner und Rudi Fichtl.
Ohne Wuchner hätte es den Landsberger Autorenkreis womöglich nie gegeben, denn nach dem ersten Aufruf in der Presse zu einem Treffen von Autoren aus dem Raum Landsberg – „Wer also Lust hat, in gemütlicher Runde Gedichte oder Geschichten vorzustellen, ist herzlich eingeladen“ – ließ sich niemand blicken, was Helmut Glatz und seine Frau Renate entmutigte. Hier griff die Überzeugungskunst von Klaus Wuchner, so dass sie es nochmal versuchten – mit oben genanntem Erfolg. Die Autoren gründeten am 1. Oktober 2004 im Waitzinger Bräustüberl diesen offenen Kreis schreibender Vielfalt.
Gut 20 Jahre später, in der 24. Langen Kunstnacht am 21. September 2024 um 19 Uhr eröffnet Barbara Koopmann im Café FilmBühne Landsberg den Leseabend zum Jubiläum. 14 Autoren bringen ihre Texte zu Gehör und breiten in 3 Stunden einen bunten Klangteppich des Schaffens im Autorenkreis aus.
Barbara Koopmann selbst hat den Begriff der Kunst aufgegriffen und als auch Bildschaffende kleinere Gemälde und Collagen auf die Tische gestellt, sodass man zwischen Kunst sitzt und liest. Barbara ist erst seit vier Jahren in Landsberg und im Kreis der Autoren. Lange hatte sie künstlerisch Leinwand, Holz, Glas und Eisen bearbeitet, seit einem Jahr schreibt sie nur noch, auch darüber: Kunst entstehe im Zusammenwirken aus Inhalt und Form und sei eine Form der Kommunikation, die einen anderen Blick auf das uns Umgebende einbringt. Als wesentliche Ausdrucksform für Gefühle und Gedanken spricht sie alle Menschen an, unabhängig von ihrer Sprache und kulturellen Zugehörigkeit. Dabei „sagt“ sie jedem etwas anderes, abhängig von seinen Erfahrungen und seiner Offenheit für Neues.
Ihr folgt Martje Herzog-Grohmann nach, die ein Gedicht aus dem Wald liest, in dem ein Kind, „kühn im Herzen“ nicht zittert vor dem Wolf, sodass dieser sich abwendet. Wer sich da wundert, dass die Prosaschreiberin so schön im Stil von Goethe dichtete, wird bestätigt, als sie das Geheimnis lüftet, es mit KI erstellt zu haben. Eine nachfolgende echte Martje-Geschichte beschreibt eine Zugfahrt ab Kaufering und die weitere eine lustige Sequenz aus einer Faschingslesung.
Lore Kienzl, ebenfalls Kunstschaffende in Zeichnungen, Raku und Bronze mit Naturmaterialien und Vorsitzende des Freundeskreises Malura in Oberdießen, hat es sich nicht nehmen lassen, auch ihr Teil beizutragen. Aus alten Zeiten, von 2010, sei ihr Essay „Magdalena – der Stein der Weisen“ über das einfache, zufriedene Leben einer Bergbäuerin. Körperlich mag sie nachlassen, aber „ihr Herz ist jung und voller Freude“ über dem Tun dessen, was der Tag verlangt, und dem Wissen: Sie ist hier ganz richtig.
Roland Greißl, der 2005 in den Kreis kam, stellt fest, dass beide, Künstler und Autoren, doch recht „inhomogene“ Menschen sind. Eine Anekdote würzt seine Erinnerung an die frühen Zeiten: Auf den Titelvorschlag „Der Hai im Lech“ konnte man sich nicht einigen, er wurde abgelehnt und stattdessen machte „Ein Elefant am Bayertor“ das Rennen für den allerersten Anthologie-Band des Landsberger Autorenkreises. Jahre später griff die „Schreibwerkstatt“ der VHS um das Ehepaar Pfaffeneder den Titel aus dem Äther auf und gab damit eine erfolgreiche kleine Krimi-Anthologie heraus. Der Landsberger Autorenkreis hat mit „Literarisches Lechrauschen“, „Zwischen den Toren“, „Werkstattgespräche“ und „Der Ruf der Natur“ inzwischen fünf Anthologien hervorgebracht, in denen bis zu 33 Autoren die Vielfalt des Schaffens im Kreis bezeugen, die sechste ist in Arbeit. Doch sie wären heute nicht vergriffen, hätten sich nicht viele Leser und Zuhörer dafür interessiert. So ließ Roland, der zu gern Tagesaktuelles bedichtet, sich von Rilkes Panther inspirieren und brachte dem Hörer ein literarisches Ständchen:
Der Hörer
Es ist sein Ohr gebannt vom Rausch der Worte,
fein eingestimmt auf jeden Unterton.
Ihm ist, als ob es nur noch Dichter gäbe –
und jeder träfe seinen eig’nen Ton.
Er hört Romane, Haikus und Gedichte,
er lauscht Geschichten voller Sprachgewalten. –
Urplötzlich dringt ein Bild ins off’ne Ohr,
und bleibt im Herzen immerdar erhalten.
Tina Vogel schreibt gern über Selbsterlebtes, das sie mit Freude überzeichnet. Schmerzen im Knie und dann gute Ratschläge, das kennen viele, etwa „unbedingt warmhalten und immer kühlen“, der Orthopäde hat erst Monate später einen Termin, die teure „Kniesan“ salbt man vergeblich ein, da hilft ganz althergebracht der Heiler mit dem Hinweis aufs Radfahren.
Dieter Vogel, wie seine Frau allzu gern unterwegs, nicht nur in Griechenland, hat längst eine Autopannenphobie entwickelt. Inzwischen nur noch vom Sofa aus sein Leben betrachtend, steigert er sich in Skurriles hinein: Sicherheitshalber hat er auch hier sein Reserverad dabei für das Gefühl absoluter Sicherheit, natürlich eine immer verfügbare Gummipuppe als Beifahrerin gegen die Einsamkeit und demnächst auch einen Wagenheber, damit ja an alles gedacht ist.
Heidenore Glatz sorgt seit einem Dutzend Jahren für liebevolle Natur- und Menschbetrachtungen, gern auch mit einem kleinen fröhlichen Stachel. Was denn Kunst sei, fragte sie im Gedicht, um es gleich zu beantworten: für die einen annehmen und genießen, für die anderen „davor stehen, nicht verstehen, bald wieder gehen“. Sicher ist für beide: „das Erlebte hat heute den Rahmen gesprengt“.
Gerwin Degmair, immer und überall für einen flotten, fröhlichen Reim zu haben, macht sich gern Gedanken über einfach alles, so auch über „Kunst und Kultur aller Rezeptur“, denn Können und Nichtkönnen simulieren gleichermaßen Talente. Musik: „Im Gesicht des Pianisten vermisst man schnell den Visagisten“, wenn etwas nicht gelingt, doch „wenn er die Kunst voll meistert, ist auch das Publikum begeistert“. „Warum nur Kokodil im Nil?“ „Am Strand der Mosel wär’s allenfalls ein Krokodosel, am Lech ein Krokodech.“ Und in der Weinprobierbude die Frage: „Was soll ich mit Weinen? Ich will doch nur lachen!“
Corinne Haberl, auch ein Urgestein des Autorenkreises, hat sich in den letzten Jahren auf allerkleinteiligste Hinterglasbilder zu aktuellen Themen spezialisiert. Damit wirkt sie derzeit mit bei der Ausstellung in der Säulenhalle Landsberg und noch bis 20. Oktober bei der bayerischen „Sinnentanz 2.4“ im Kunstwerke-Haus Bad Wörishofen. Die halbe Französin, die als Übersetzerin arbeitete, brachte einen frühen Limerick zu Gehör. In einer „Spielerei zu R“ schubst sie „Richter Rolands Rollmöpse rechts vom Rheinfall in den Reinfall“. Nur wenige kommen aber mit bei ihren Französischsalven mit poisson/Fisch, poison/Gift und boisson/Getränk – keine Halbwahrheiten im Unterricht!
Dr. Boris Schneiders Schreibstil bedient gern die Fantasy-Ecke, als Biologe geht er aber auch der Sprache auf den Grund und richtete deshalb die „Werkstattgespräche“ im Autorenkreis ein – eine Mischung aus Feedback und Fortbildung, deren frühe Früchte in die 4. Anthologie eingegangen sind. Er weiß genau, wann er in den Kreis eingetreten ist: am 13.04.2007, damals mit dem „Riesen auf Riesenreise“. Sein aktuelles Projekt ist ein Märchen, das sich spannend wie Fantasy lies. In „Liebesmärchen“ sind sieben solche Abenteuer publiziert. So auch das vom verwunschenen ägyptischen Prinzen und den Botschaften der Hathoren, der Schicksalsgöttinnen, die dort das Leben der Neugeborenen bestimmen.
Alexander alias Mirlo Verdad (Amsel Wahrheit) schrieb einen Paradies-Roman über Theo, also Gott selbst und seine Begegnungen. Dicht recherchierte Geschichten stützen sich hier gleichsam auf Bibel, Wissenschaft und Weltliteratur, regen zur Reflexion des Vergangenen an und ebenso des eigenen Agierens. Ereignisse werden logisch weitergesponnen, bis ihre Absurdität oder Rücksichtslosigkeit offensichtlich wird. Im „pyroklastischen Strom öder Kalorien“ werden so „atomisierte Tomaten zum Geschmackserlebnis“, sie sind „ökologisch zu essen“, also langsam zu kauen, um alle Inhaltsstoffe herauszulösen. Da wird schon mal akribisch der Nervenaufbau einer Roggenpflanze dem menschlichen Gehirn gegenübergestellt mit dem Schluss: „Grünzeugs hat selbstverständlich auch Gefühle!“
Marianne Porsche-Rohrer, die dichtende Heilpraktikerin und Apothekerin, hält nicht nur landauf, landab kluge Vorträge, sondern schreibt auch jedes Jahr mit einem neuen Buch ihr Wissen zu einem Fachgebiet weiter, natürlich gereimt, weil es so bekömmlicher ist. Zu Anistee zum Beispiel: „Bald fliehn die Winde aus dem Bauch, und Tante Käthe flieht dann auch.“ Oder die wunderbare Genesung nach dem Besuch des Apothekers: „Noch gestern ging’s Annette kläglich, ab heute kommt Herr Meier täglich.“ Die Dosis macht das Gift bei der Sahnetorte: „Mit Sparsamkeit am nächsten Tage schafft man den Ausgleich ohne Plage.“
Carmen Kraus las frühe Gedichte aus ihrer Autorenkreiszeit ab 2010. „Schweigezeit“ sei dann nötig, „wenn alles gesagt ist, wenn jeder weiß, was Sache ist … damit es wird“. Und es wurde, es wurde im nächsten Gedicht „Anspruchsvoll“, das Leben ohne den Früh Gegangenen, der nur ab und an vorbeischauend staunte, dass sie nicht unterging. Im „Aufbruch“ stellt sie „Fragen von gestern, mitgenommen für morgen, als Wegzehrung für schwere Stunden“. Selbstironisch anerkennend schließt ihren Vortrag: „… und nach und nach versteh’ auch ich, was ich gefasst in mein Gedicht.“
Rudi Fichtl, Gründungsmitglied, zwischenzeitlich auch mal in Auszeit auf Mistcapala-Touren, las aus seinem ersten eigenen Gedichtband satirische Lyrik. Eigentlich ist es keine Lesung, sondern ein ausgefeilter Vortrag, an dem alles stimmt, vom Reim über die Pointe zu Mimik und Gestik. Die Grönlandemigranten und manches andere Spannungssteigernde hat er nur dafür in Reime gepackt, „dass sie auch mal im Gedicht stehen“. Ein wilder Tripp übers Oktoberfest – mit Hell Express, gebrannten Mandeln, Topspin, Wilder Maus – bestärkte seine Leidenschaft, doch dann sah er, „wie du ein Hendl isst“ und war sich „nicht mehr sicher, ob du die Richtige bist“.
Geschafft! Bis nach 22 Uhr ging der Lesemarathon. Begleitet haben ihn einige Zaungäste, die sich ein paar Minuten Zeit für diesen Ruhepol im quirligen Treiben der Kunstnacht nahmen, und andere, die sich gemütlich ausruhten, bei Frau Gilk ein warmes Essen oder ein kaltes Getränk bestellten und sich selbst ein Bild von den unterschiedlichen Ansätzen in Prosa und Lyrik aus dem Umkreis von Landsberg machten.
Roland Greißl, nach Rudi „ältestes“ Mitglied im Autorenkreis, beendete in einer kurzen Ansprache die Lesungen. Das ausgelobte lose Konzept für den Abend sollte maximale Vielfalt ermöglichen – und es war aufgegangen. Der Autorenkreis lebte und pulsierte über mehr als drei Stunden ununterbrochen.
Auch für den 11. Oktober wird zu Frau Gilk ins Café FilmBühne eingeladen. Dann werden die neuen Bücher der Autoren vorgestellt und es wird wieder gelesen. Die Überraschungstüte für Hörer öffnet sich erneut. Vielleicht sind dann auch einige dabei, die das jüngste Erleben aus der Kunstnacht nochmal auffrischen wollen. Sie sind immer willkommen, zu allen öffentlichen Lesungen. Oder mit den Worten des Kreisgründers Helmut Glatz, leicht erweitert: „Wer also Lust hat, in gemütlicher Runde Gedichte oder Geschichten vorzustellen oder einfach anzuhören, ist herzlich eingeladen!“
Carmen B. Kraus
Fotos: Heidenore Glatz und Roland Greißl