Buchvorstellungen - 11.10.2024
Schlankheitswahn und Fahrradmantelbuch
Als am Freitag, dem 11. Oktober, Moderator Boris Schneider um 19 Uhr Schreibende und Zuhörende im Café FilmBühne in Landsberg begrüßte, wusste er noch nicht, was ihn erwartete. Es würde ein abwechslungsreicher Abend mit interessanten Büchern und Texten werden. Einmal im Jahr stellen die Autorinnen und Autoren, die in den vergangenen zwölf Monaten das Glück hatten, ein Buch veröffentlichen zu können, dieses im Landsberger Autorenkreis vor. Heuer hatten sich nur zwei Schreibende mit ihren Werken angemeldet.
Die Schongauer Apothekerin und Heilpraktikerin Marianne Porsche-Rohrer ist schon seit Jahrzehnten für ihre lehrreiche und humorvolle Lyrik bekannt, bei der sie Wissen und Erfahrungen aus ihrem Beruf mit dem Hobby des Schreibens verbindet. 2010 begann alles mit dem Buch „Mit Malventee am Kanapee“, bei dem sie erstmals in gereimter Form Wissen über Naturheilkunde an die Lesenden weitergab. Das Konzept, auf lustige Weise, kurz und prägnant Informationen zu vermitteln, kam so gut an, dass heuer bereits ihr 14. Werk erscheint: „Ich denke nur an die Figur – Ein lyrisches Handbuch für die Traumfigur“. Es wird wieder ein von ihrer Tochter gezeichnetes Titelbild haben und soll blau werden. Die Lesenden merken hier schon an den Formulierungen, dass der Druck nicht mehr rechtzeitig fertig wurde.
Trotzdem hatte die Autorin natürlich eine bunte Auswahl an Texten mitgebracht, die exemplarisch das Thema Schlankheitswahn beleuchteten. Bei „Anziehproblematik“ ging es darum, dass plötzlich zu viel Bauch für die Hose vorhanden ist. „Tischkultur ade“ beschäftigte sich mit Fastfood und der Art, wie manche Personen dieses hineinschlingen. Im Gegensatz dazu pries die Autorin in „Teilen macht Spaß“ die Vorteile, wenn man bei großen Portionen bereitwillig etwas abgibt oder sich auch einmal einen Nachtisch gemeinsam bestellt. „Schlankheitswundermittel“ legte offen, dass es hier mitunter mehr um das Geldmachen für die Produzierenden als um den Gewichtsverlust der Abnehmwilligen geht. „Ein kleines Gläschen Wein“ klärte darüber auf, dass dieses die Gesundheit fördern kann, wie bei Vielem macht es hier die Menge aus. Ein ähnliches Thema behandelte „Geburtstagskuchen“, in dem die Autorin klarstellte, dass Lebensfreude und Genuss auch immer Teil einer erfolgreichen Diät sein sollten. Insgesamt machten die Verse wieder Lust auf mehr, so dass Moderator Boris Schneider gleich ein Buch vorbestellte.
Da aufgrund der geringen Anzahl an Büchern viel Zeit blieb, wurde noch länger über das Thema diskutiert, z. B. ob eine unverkrampfte Einstellung dem Abnehmen förderlich sein kann und dass der Ansturm auf die Abnehmspritze mitunter zu Wartezeiten bei Diabetikern führt, die das Medikament tatsächlich benötigen. Zum Schluss plädierte die Autorin noch für den Erhalt der Apotheke, denn nur hier bekommt man tatsächlich die individuelle und oft wichtige Beratung, die in vielen Belangen gerade aber auch beim richtigen Abnehmen sehr wichtig sein kann.
Thomas Glatz studierte Sozialarbeit in Landshut und Bamberg und Bildende Kunst an den Kunstakademien in München und Helsinki. Er ist Künstler und Schriftsteller, leitet seit 2000 das „Archiv für Gebrauchs- und Benutztexte“ und wurde bereits mit mehreren Stipendien geehrt. Passend zu dieser Vita hatte er ein Exemplar des Künstlerbuches „Autokorrektur Gerädert“ von Mikio Saito, Martin Krejci, Klaus Dietl und ihm selbst mitgebracht. Es ist in einer individuellen Kleinstauflage von nur zehn Büchern anlässlich einer Ausstellung des Künstlerkollektivs Alligator Gozaimasu erschienen und in einen Buchrücken aus einem weißen Fahrradmantel gebunden. Vorzulesen gab es aus diesem Werk indes nichts, da es sich um ein Kunstprojekt handelt. Die beteiligten Künstler schickten sich in regelmäßigen Abständen Bilder oder Zeichnungen im Format A5, die der Andere dann „erweitern“ durfte. Bei der Weiterbearbeitung war alles erlaubt: Zerreißen und zu einer Collage verarbeiten, bekleben, weitermalen oder sogar mit dem Auto überfahren, worauf der Buchtitel Bezug nimmt. Herausgekommen ist ein buntes und vielfältiges Werk, in dem es sich lohnt, das Augenmerk auf die Details zu legen. Ob von den zehn Exemplaren noch welche erhältlich sind, konnte Thomas Glatz nicht sagen. Er ist aber sicher gerne bereit, Interessierten einen Blick in sein Exemplar zu gewähren, und gab auch am Leseabend dieses ganz besondere Werk mit Zeichnungen in wilder Mischung in die Runde. Damit aber auch der Hörsinn noch etwas zu tun bekam, las Thomas Glatz einige Texte, die in der Zeitschrift Prolog erschienen sind. Unter anderem hatte es sich mit der schweren Aufgabe befasst, neue Palindrome wie „Lotta malt Lama toll“ zu schreiben, die bekanntlich von vorne wie von hinten gelesen gleich lauten.
Nach einer kurzen Pause ging der Abend dann in eine klassische freie Lesung über, bei der die Lesenden nicht wie sonst im Autorenkreis üblich per Zufall durch Ziehen aus einem Hut ermittelt wurden, sondern die Lesereihenfolge sich nach dem Zeitpunkt der Anmeldung richtete. Franz Oberhofer beschäftigt sich derzeit mit dem Erstellen von Tiergedichten, zwischen 30 und 40 hat er schon fertig. Ein herausforderndes Projekt, bei dem geplant ist, die Gedichte noch durch Illustrationen zu ergänzen. Er startete mit dem Langgedicht „Der Wolf“, in dem jeweils abwechselnd aus der Perspektive von Mensch und Wolf verschiedenste, teils in die ferne Vergangenheit zurückreichende Aspekte der Beziehung zueinander sprachgewaltig beleuchtet wurden. In „Der Eisbär“ ging es etwas mystischer zu, da man hier in die uns doch sehr fremde, vom Autor imaginierte Gedankenwelt dieses Tieres aus dem eisigen Norden eintauchte. Den Abschluss machten „Die Bienen“, die zuerst in kurzen, teils abgehackten Sätzen, in unserer immer naturärmer werdenden Welt auf Nektar- und Pollensuche gingen, dann aber in unergründlich dunkle Tiefen zu einem Leben in Asche versanken. Bei der auch hier intensiven Diskussion gab der Autor zu bedenken, dass Gedichte aus seiner Sicht immer auch Auslegungsspielraum lassen und zum Nachdenken anregen sollen.
Dass Gedichte auch zum Schmunzeln und Lachen anregen können, zeigte wieder einmal Rudolf Fichtl. In „Albtraumnacht“ ging es darum, was einen mitunter nachts schweißgebadet aufwachen lässt, neben Saurons wilden Horden trat dabei auch die eine oder andere Überraschung zutage. Gesetzt den Fall, man sollte zu „Gesetzt den Fall“ was schreiben, was schreibt man da, gesetzt den Fall, man könne schreiben? Das dritte und letzte Gedicht des Autors beschäftigte sich mit den Dingen, die man mitunter „Am Fuße des Kilimandscharos“ findet. Die abschließende, eher kurze Diskussion beschäftigte sich hier allein mit der Frage, ob es nicht „Am Fuße des Kilimandscharo“ hätte heißen müssen, was aber zu einer völligen Zerstörung des Gedichtes führen würde. Neugierig geworden? Tja, das nächste Mal zum Zuhören kommen oder darauf hoffen, dass Rudolf Fichtl nach „Das Kribbeln beim Bestatten dicker Dänen“ noch ein zweites Buch veröffentlicht.
Mit „Manchmal“ von Thomas Glatz ging schließlich ein abwechslungsreicher Abend zu Ende. In dem in der Zeitschrift Die Geste vom Dresdener Silvio Colditz kalligraphierten Gedicht ging es darum, was der Mond so manchmal macht. Damit entließ Moderator Boris Schneider alle in die neblige, wolkenverhangene Nacht. Es konnte somit keiner nachprüfen, was der Mond tatsächlich gerade machte. Es war schön, wieder einmal etwas mehr Zeit zu haben, um auch über die vorgetragenen Texte zu sprechen.
Wer Lust bekommen hat: Am 22. November um 19 Uhr findet die nächste freie Lesung des Landsberger Autorenkreises im Café FilmBühne statt.
Dr. Boris Schneider
Fotos von Thomas Glatz