Freie Lesung Frühling - 22.3.2024
Blaues Band und bunte Ehrung
In seiner Anmoderation stellt der ehemalige Deutschlehrer Roland Greißl fest: Der Frühling ist ein freudiger, heller Neuanfang im Jahresablauf. Bereits in der Einladung hatte er Eduard Mörikes bekanntes blaues Band eingebracht: „Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte. Süße, wohlbekannte Düfte streifen ahnungsvoll das Land.“ Einen Neuanfang hatte auch der Autorenkreis vor einem Jahr.
Damit leitete er seine lyrische Anerkennung für die vielen Verdienste von Carmen Kraus um unseren Autorenkreis ein. Seit 13 Jahren gestaltet sie diese Homepage, verwaltet mit großem Engagement alle Aktivitäten des Kreises und ist seit einem Jahr auch dessen kommissarische Leitung. Roland Greißl stellte vor allem ihre Einsatzbereitschaft im vergangenen Jahr heraus: „Sie bringt sich ein bei jeder Lesung, schreibt die Einladungen, hat Ideen ohne Ende … im Winter die Orga, täglich im Klostereck, die Silbernadel der Stadt für Roland ... Sie arbeitet unermüdlich im Frühling, Sommer, Herbst und Winter.“
Carmen Kraus sei aber auch schon im Anfangsjahr 2010 eine treffende lyrische Beschreibung dieses empathischen inklusiven Kreises gelungen, nachzulesen im Gedicht „Die Knolle“ in der Anthologie: „Literarisches Lechrauschen“. Ein bunter Frühlingsstrauß – natürlich mit blauem Band – und eine ebensolche kreative Collage „Fragment“ aus dem Atelier von Barbara Koopmann machten den Dank des Kreises sichtbar. Die so Überraschte nahm es überwältigt zur Kenntnis.
Mirlo Verdad, den das Lese-Los zum Anfangen bestimmt, liest aus seinem schier unerschöpflichen „Paradies“ des spielenden Gottes von Primus, dem Ästheten, eine Unterredung um die Frage: „Sieht so Gott aus?“ Seine Bedenken sind unüberhörbar und manch einer der Zuhörer nickt zustimmend.
Thomas Glatz trägt eine frühlingshafte Romanze vor. Er spricht den Löwenzahn an, die ausschlagenden Bäume und sprießenden Knospen, das junge Mädchen und den jungen Mann im Frühlingssein, aber mit anständigem Verhalten.
Gerwin Degmair lenkt in seinen Gedichten zum „Frühling und so weiter“ den Rückblick auf den Wintersmann, alt und zahm, lässt aber auch die Frühlingsboten sprechen. Alte bunte Blättchen tanzen mit jungen Schneeglöckchen im Röckchen, Krokus, Narziss und Haselnuss ebenso wie Frühlingsdüfte begegnen dem weit sichtbaren Regenbogen in seiner Farbigkeit. Das Paradies macht uns die Erde untertan – Gott segnet, gibt Hoffnung, indem er die Natur so schön entfaltet.
Marianne Porsche-Rohrer liest aus ihrem Gedichtband von Dr. Wald, der zu dieser Zeit Heilpflanzen wie Bärlauch bereitstellt, und dessen Wirkung auf Körper und Geist: bei Bewegung in frischer Luft im Buchenwald, wenn erste Blättchen sich entfalten, die Vögel, aus dem Süden zurück, tirilierend in den Kronen sitzen und der Igel mit Frau aus dem trauten Versteck auftaucht.
Aus Klaus Wuchners Beitrag erfahren wir von der frühlingshaften Hoffnung für die immer wieder gespielten Lottozahlen, nach so vielen Jahren nun endlich sechs richtige angekreuzt zu haben. Jedoch tröstet er sich damit, dass man die Kombination gut vererben kann, um einem fernen Nachkommen dereinst einen überraschenden Geldsegen zu bescheren.
Corinne Haberl liest Limericks, Nachrufe auf eine verlorene Ehre und das falsche Verwenden internationaler Fremdworte, die zu Missverständnissen führen. Dabei fügt sie den Hinweis an, sich besser zu informieren oder vielleicht doch lieber die eigene Alltagssprache klar und deutlich zu benutzen.
Lore Kienzl trägt drei kurze Gedichte bei: zu Gedanken, wenn der Tag beginnt, vom Vogel, der auf dem Baum von Liebe singt, und vom Menschen, der denkt und dessen Arbeit seinen Tag lenkt. Es stürmt und tobt, ein Lebensgewitter überkommt einen wie ein Spuk und mittendrin steht man selbst in aktueller Ausgabe. Wir erkennen einfühlsam kräftigende Verse aus dem Buch „Nur ein Wort …“, das sie mit ihrer Schwester Rena Geilich geschrieben hat.
George Olivier Pessianis stellt sich in „Matrix Realität“ die Frage: „Was ist Sein?“ Mit Descartes sagt er: „Ich denke, also bin ich“, denn sie beide streben nach völliger Gewissheit. Aber wo ist die kosmische Ordnung – echt, solide, real – in unserer Zeit? Ist die Welt noch wirklich oder gibt es sie nurmehr auf einer Festplatte? Wir fliegen zu den Sternen, können uns hundert Jahre lang einfrieren lassen, wir haben die beste aller Welten. Aber wir haben auch die Freiheit Nein zu sagen. Alles ist denkbar in unserer Verantwortung.
Anna Will, erstmals im Autorenkreis, liest aus ihrem neuen Kurzgeschichtenbuch über Flucht, Asylheime und „InteGREATion“, das einen Lebensabschnitt des jungen Mohammed Azad wiedergibt, der auch als Coautor zeichnet. Zwei Jahre lang ist die Sozialarbeiterin im Osterurlaub in der Ukraine im Selbstversuch eingetaucht in die dortige Natur, in Kultur, Traditionen und Gespräche, mit dem Ziel, sich bestmöglich zu integrieren. Ist man im Ausland, trifft man gern Landsleute, das hilft gegen das Gefühl allein, einsam zu sein. Doch findet man so eine neue (Ersatz-)Heimat? Die Sprache ist ein Schlüssel zur Integration, ist ihr Fazit.
Roland Greißl schließt die Lesung und bedankt sich mit warmen Worten für die rege Beteiligung der Autoren und das Kommen der Gasthörer. Diskussionen in mehreren Grüppchen runden den Abend ab. Man will sich wiedersehen am 26. April, bei der nächsten Freien Lesung, zum Thema „Freundschaft“, auch hier im Café FilmBühne. Moderator Klaus Wuchner hat dazu eingeladen, er will dann gern wieder den Autorenfreunden und Gastlesern lauschen.
Barbara Koopmann
Fotos von Thomas Glatz und Roland Greißl