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Freie Lesung Freundschaft - 26.4.2024

Im Folgenden finden Eilige eine kurze Version und Genießer eine ausführliche Schilderung des Leseabends. Wir wünschen Ihnen bei der Nachlese viel Vergnügen!

Gegensätze beleben die Freundschaft (Kurzversion)

Für die April-Lesung des Landsberger Autorenkreises hatte Moderator Klaus Wuchner das Thema „Freundschaft“ mitgeteilt. Über Schillers „Bürgschaft“ und Goethes „Antonio“ leitete er den Leseabend ein und sang dazu mit fester Stimme: „Wahre Freundschaft soll nicht wanken“.
Eine Vielzahl von eigenen Gedichten und Geschichten wurden dann von 14 Autorinnen und Autoren vorgetragen. Da war das stille Glück der im Gleichtakt Schwingenden, der unerwartete Schulterschluss in schwerer Zeit, das fehlende zweite Glas nach dem Verlust des Partners, die Wandlung vom Feind zum Freund durch Vergebung, das Zusammenhalten seit Kindheitstagen, das Spiegeln zur Freude des Gegenübers und der andere Lauf der Dinge im Miteinander. Bereits in der Pause kamen rege Gespräche auf, danach traten tierische Freunde in den Vordergrund: von Wuselchen mit Ruten und Muschelfreunden über den herrenlosen Schnauzbart zu Ratte und Igel. Gemeinsames Durchstehen auch ungeliebter Zeiten wurde ebenso umschrieben wie der Schock des Krieges gegen das Brudervolk und die satirische Überhöhung eines Streites über Nichtigkeiten, der in einer Kriegserklärung gipfelt.
Bei den in dieser Reihenfolge lesenden Stammautoren Carmen Kraus, Martje Herzog, Boris Schneider, Barbara Koopmann, Rudolf Fichtl, Corinne Haberl, Heidenore Glatz, Thomas Glatz und Roland Greißl war die Freude groß über die neuen Autorenfreunde Anna Will, George Pessianis, Richard Freeman, Mirlo Verdad und Andrea Sperling, die mit ihrem kreativen Elan die Lesungen bereichern.
Der gelungene Abend in großer Lebendigkeit bleibt gewiss lange im Gedächtnis. Der Moderator beendete ihn mit einem Dank auch an die zuhörenden Gäste, und Lore Kienzl lud gleich ein zur nächsten Lesung, am 17. Mai in Waal, zum Thema „Erinnerungen“.

Gegensätze beleben die Freundschaft

Am sonnigen Freitagabend des 26. April um 19 Uhr beginnt die Freie Lesung des Landsberger Autorenkreises. 14 Autoren und sechs zuhörende Gäste fühlten sich angesprochen durch das Thema und finden sich dazu ein; Moderator Klaus Wuchner begrüßt sie alle. Auf seiner Reise nach Weimar, allein, ohne Begleitperson, merkte er, dass es Freunde braucht, um den Weg zu finden. Angesichts der Unterstützung durch seine Assistentin Antje verfestigte sich sein Gedanke, „Freundschaft“ als Thema einer Lesung zu wählen.
Wir kennen Schillers „Bürgschaft“, die Ballade von der Freundschaft, und Goethe lässt seinen Antonio in „Torquato Tasso“ sinnieren: „Die wahre Freundschaft zeigt sich im Versagen / zur rechten Zeit, und es gewährt die Liebe / gar oft ein schädlich Gut, wenn sie den Willen / des Fordernden mehr als sein Glück bedenkt.“ Glück ist es, dass Klaus Wuchner trotz Erkältung mit fester Stimme das alte schlesische Volkslied singen kann, das sich im 18. Jahrhundert über alle deutschsprachigen Länder verteilte: „Wahre Freundschaft soll nicht wanken […] Lebet fort noch in Gedanken“ und „Wenn der Tod mir nimmt das Leben, hör ich auf, dein Freund zu sein.“ Dabei wissen wir doch, dass die Liebe den Tod überlebt.

Carmen Kraus’ Name wird als erster aus dem Hut gezogen. Sie liest vier Gedichte vor. Lyrik, die in wenigen Worten von der Fragilität des Augenblicks berichtet, in dem die Freundschaft keimt. „Kein Wort von dir, / keins von mir / stört das Glück“. „F wie Freunde, f wie flexibel“ sind oft der Plan B im Leben, über „Z für Zuversicht, z wie zuverlässig“ zu „D wie Dank, an d wie dich gerichtet“.

Anna Wills Geschichte thematisiert eine Schlägerei in der Fremde, die doch Heimat werden soll. Darf der vielfach Geschundene sich verteidigen? Er wird freigesprochen, weil er vor dem Richter sowas wie Freundschaft erfährt. – „Spieglein, Spieglein“ ist hingegen ein Kinderbuch, das in ansprechenden bunten Bildern zwei Mädchen mit unterschiedlicher Hautfarbe verbindet.

Martje Herzog zitiert Günter Bohn: „Du … / des Bett is heit / so hügelleer / und niemand red mit mir. / Zum Anstoßen gibt’s / kein zweites Glas / und keiner sagt / heut WIR.“ Die Einsamkeit nach dem Verlust eines Partners geht tief.

Boris Schneider liest aus einer Fantasygeschichte nach einem australischen Märchen, wie Pelikan und Emu von Feinden zu Freunden werden können. Als die Flügel des Emus verbrennen, so dass er nicht mehr fliegen kann, hasst er den Pelikan. Durch die Kraft eines Amuletts nehmen sie Menschengestalt an und das Misstrauen schwindet jäh, als eine Speerspitze vor dem tödlichen Schlangenbiss rettet.

Barbara Koopmann liest von der erlebten innigen Freundschaft im Kindesalter: gemeinsame Einschulung, das Heranwachsen, die Entwicklung der Mädchen, die kindliche Erschütterung nach dem Tod des Vaters und die Entfremdung nach sechs Schuljahren, als sich die Wege der Kinder durch den Wechsel der Schule und des Aufenthaltsortes für immer trennen.

Rudolf Fichtl beschreibt Freund Tobias: nicht schmal, nicht fett, aber keck, es gelingt ihm nicht alles. Dies aus seiner satirischen Lyrik, ebenso wie „Zehn Punkte von zehn“, die erreicht werden sollen – und Uhu Lulu ruft Kurt das Du zu.
Dann ist erstmal Pause und man hat sich viel zu erzählen.

Corinne Haberl spricht später vom anderen „Lauf der Dinge“ im Miteinander, selbst erlebt und schriftlich festgehalten.

Heidenore Glatz berichtet im Gedicht von neuen Freunden mit unterschiedlichem Charakter: schwarze und weißbraune Wuselchen – die beiden Hunde von Carmen. Ein weiterer Beitrag widmet sich Muschelfreunden. Einige Muscheln sind festgewachsen an ihrem Fels, andere lassen sich auf die neue Strömung ein. Fangen sie ein scharfkantiges Sandkorn ein, dann hadern sie nicht damit, integrieren es, überziehen es mit Perlmutt. Beim Muschelessen mit Freunden und in den Perlen am Hals einer Frau tritt diese innere Schönheit zutage.

George Pessianis erzählt von Freundschaft, die Freude bereiten und der Himmel sein kann. Aber eines Morgens wacht er auf, fühlt sich selbst nicht mehr, erkennt nicht Farbe, Freude noch Buntheit. Monster bringen Angst, Schrecken, Trauer und er schreibt Hilferufe auf Zettel und wickelt sie auf wie ein Wollknäuel. In Erinnerungen werden sie später abgewickelt – bis auf den blauen Stern. Fragen kommen auf: Bin ich ich? Und sehe meine Zukunft wohl nur ich allein?

Thomas Glatz bietet einen Kürzestbeitrag: „Was nimmt man mit auf eine einsame Insel: Sonnenschirm, Regenschirm, einen herrenlosen Schnauzbart …?“ Das muss man selbst lesen, sonst glaubt man es nicht.

Richard Freeman liest erstmals in unserer Runde. Zusammen mit seinem inzwischen verstorbenen Freund Karl Witti hat er das Kinderbuch „Eine wilde Geschichte“ herausgebracht zu Freundschaften zwischen unterschiedlichen Tieren: Ratte und Igel, Esel und Schmetterling etwa. Richard hat erzählt, Karl hat gemalt und dann hat Richard Neues erzählt, sodass die wunderbaren Wege der Freunde zu kleinen Kunstwerken geworden sind.

Mirlo Verdad bringt Freundschaft und Gegensätze vor. Primus und Ossi sind Freunde, aber sehr verschieden. Nach einer Party, die den so unterschiedlichen Musikgeschmack und die ebensolche Küche bediente, waren sie total genervt. Die Feierlaune war dahin, der Chef hatte auch gefehlt … alles fühlte sich leer an. Aber nur kurz, denn: nach der Party ist vor der Party, da waren sie sich einig!

Andrea Sperling, Schwäbin mit Stuttgarter Wurzeln, zurzeit in Buxheim, ist auch schon zum zweiten Mal hier, liest aber erstmals. Gedichte aus 2022, von einer ukrainisch-russischen Freundschaft und ihrem jähen Ende, als dem Brudervolk die Freundschaft aufgekündigt wird. „Bruder, komm und tanz mit mir“ verhallt in zerstörten Straßen, angesichts der Trümmer auf blutgetränkter Erde. Aber Krieg bedingt den Frieden, der aus dem Besinnen wächst loszulassen: „Freundschaft muss Raum haben, um sich frei entfalten zu können.“

Roland Greißl breitet eine Geschichte aus von Freunden, die scheinbar harmlos Tontöpfe mit einer Schleuder zerschlagen, tatsächlich aber das Schießen üben. Denn es ist nicht weit her mit der Freundschaft, seit sie sich über die Art des Eierköpfens stritten. Ja, der Nachbarkönig hat ihnen sogar den Krieg erklärt. Krieg zwischen Freunden? Leider ist das auch im echten Leben nicht undenkbar, wie ein Blick in die Nachrichten und auch noch in die jüngste Geschichtsschreibung zeigt …
Die Vielfalt im Autorenkreis gefällt Andrea, der herzliche Umgang miteinander und sie will gern neues Mitglied sein. Auch George, Mirlo, Anna und Richard sind erst heuer dazugestoßen. Rudi und Klaus sind dagegen schon seit seiner Gründung vor 20 Jahren im Kreis, Corinne und Roland nur ein Jahr weniger. Alle zusammen sorgten für einen gelungenen Abend in großer Lebendigkeit, der gewiss noch lange im Gedächtnis bleibt. Klaus Wuchner dankt den Autorenfreunden und den zuhörenden Gästen nach zwei Stunden dafür.

Wir freuen uns schon auf die nächste Lesung, am 17. Mai in Waal, zum Thema „Erinnerungen“, die Lore Kienzl moderiert. Sie eröffnet die Sommersaison im Autorenkreis, wenn die Lesungen den Autoren aus dem Umkreis traditionell ein Stück weit entgegenkommen: ins Allgäu, an den Ammersee, ins Fuchstal …

Barbara Koopmann und Carmen B. Kraus

Fotos von Thomas Glatz, Roland Greißl und Heidenore Glatz