Entspannte Südlesung in Welden - 20.7.2023
Musikalisch-literarisch in ruhigem Fahrwasser
Die traditionelle Südlesung des Landsberger Autorenkreises fand am 20. Juli im Gasthof „Seerose“ in Welden statt. In der Hoffnung, das Motto des Abends „Jenseits von Stress und Eile“ möge gleich von Anfang an in Kopf und Seele ankommen, hatte Moderatorin Marianne Porsche-Rohrer den Alphornbläser Peter Kaufmann aus dem benachbarten Dorf Aufkirch engagiert, um die Lesegesellschaft unter Bäumen am See in der Abendsonne einzustimmen.
Im ersten Lesebeitrag wünschte Roland Greißl sein Idealbild von der kontrovers diskutierten Fuchstalbahn zu präsentieren: Er träumte vom Hochbetrieb der Bahn mit vielen Fahrgästen. Marianne Porsche-Rohrer stand ihm als Betrachterin völlig entgegengesetzt gegenüber: Sie überzeichnete satirisch den einzigen Fahrgast, den der launige Lokführer in furchterregendem Tempo bis zur Endstation transportiert, wo er den Zug leichenblass verlässt. Diese beiden lokalpolitisch geprägten Beiträge lagen freilich jenseits des Mottos.
Benno von Rechenberg regte daraufhin zum Nachdenken an mit seiner Kurzgeschichte von Moritz, der beim Einkaufen eine Kröte fand und sich auf ihre Bedächtigkeit einließ. In Boris Schneiders Geschichte sinnierte Alfons bei einem Glas Merlot über seinen achtjährigen Enkel und Shakespeare als Lieblingsautor.
Thomas Glatz beschrieb die eilige Schnecke, die auf dem Weg zum Horizont total außer Puste kam und beschloss, sich beim nächsten Mal mehr Zeit zu lassen. Zudem zeichnete er Stimmungsbilder eines Eisenbahnwarteraums, vom Museum der Langeweile und einem Automatenkaffee, der nach Fliege schmeckte, vom Sonate spielenden Security-Mann und anderem mehr.
Mit seiner Gitarre und einem eigenen Lied überraschte Rudi Fichtl die Zuhörenden, wobei der Titel des Liedes, „Müde“, dank geistreichem Inhalt und seiner typischen Wortgewandtheit die Zuhörer keineswegs ermüdete. Die Texte von Klaus Wuchner las ebenfalls Rudi Fichtl vor: Eine Betrachtung über Stress, die Reise der Hündin Leika ins All, den Zusammenhang von Stress und Burnout und stressfreien Hedonismus – ein vielseitiger Beitrag zu einem aktuellen Thema.
Kurz und bündig hielt es Lore Kienzl mit ihrer meditativen lyrischen Baumbetrachtung: Blatt am Ast, Ast am Baum … Tiefgründige Gedanken prägten auch die Worte von Barbara Koopmann über das Freisein, das Himmelreich im Jenseits, die weltweite Ruhe- und Rastlosigkeit, das Motto der Großeltern „Eile mit Weile“ und die Erkenntnis, dass die Lebenszeit im Alter immer kostbarer wird.
Martje Herzog nahm das Motto wörtlich und wünschte sich: „Ohne Stress und Eile verweile, Zeit, verweile!“ Aus dem wirklichen Leben gegriffen hatte sie noch eine Schilderung parat zur Störung einer WC-Sitzung durch das Telefon, ebenfalls realitätsnah die Geschichte des kleinen Mädchens, das die Konversation der Mutter mit einer Bekannten zur Selbstbedienung mit Schokolade nutzt.
Auf eine griechische Insel mit wenig Tourismus entführte Dieter Vogel. Der Sonnenaufgang in Patmos hatte ihn aus dem Bett gelockt – und er fühlte sich klein und berauscht und genoss die Bewusstseinserweiterung. Carmen Kraus beschloss dann den Abend aus mehreren Blickwinkeln: auf endlose Zeit durch Langsamkeit, von Auszeit zu Tagträumen, von der Entschleunigung für die Seele und Freiheit als Geschenk. So kann es gelingen, dass der Mensch Glück empfindet, einfach nur im Hier und Jetzt, mit allem im Einklang.
Gerda Kees untermalte zwischen den Wortbeiträgen den Abend gekonnt mit alten Volksweisen auf dem Akkordeon. Bei distanzierter Betrachtung schien es, dass alle Lesenden sehr entspannt waren und diese herzerfrischende Musik als ausgeglichenes Sahnehäubchen dem noch eins obendrauf setzte.
Marianne Porsche-Rohrer
Fotos von Roland Greißl