Licht und Schatten - 30.5.2025
Von lichtvollem Gedeihen zum düstersten Crash

Während der Landsberger KreisKulturTage, die dieses Jahr unter dem Motto „Licht und Schatten“ standen, hatte Moderatorin Lore Kienzl für die freie Lesung des Autorenkreises im Deutschen Haus in Waal ebendieses Thema ausgewählt – auch wenn der Leseort außerhalb des Landkreises lag.
Es sei ein spannendes Feld, sagte sie, denn ohne Licht gäbe es keinen Schatten und erst im Dunkel würde sich zeigen, wie wertvoll das Licht sei. Sie spann einen Bogen von den Aborigines in Australien, die vor 100.000 Jahren als Teil der Natur lebten und nicht zwischen Gut und Böse unterschieden, über das götterzentrierte Weltbild vor 10.000 Jahren bis hin zum egozentrischen Menschen unserer heutigen Zeit und stellte fest, dass sich die Welt gerade wieder im Wandel befindet.
Insgesamt kamen in der Folge neun Lesende zu Wort, die sich ihre unterschiedlichsten Gedanken zu Licht und Schatten gemacht hatten. Das Spektrum reichte von Ultrakurzlyrik bis hin zu längeren Essays, von nachdenklich stimmenden Gedichten bis hin zum fröhlichen Plädoyer für den Schatten (an heißen Tagen unter einem Baum), von in den Wahnsinn treibenden Geschichten bis zu solchen, in denen sich still das Glück zeigte. Es lasen Thomas Glatz, Barbara Koopmann, Carmen Kraus, Franz Oberhofer, Marianne Porsche-Rohrer, Boris Schneider, Mirlo Verdad, Dieter Vogel und Tina Vogel.
Aus der Vielzahl der Beiträge konnte jeder Zuhörende für sich das Ansprechendste herauspicken. Im Nachgang saßen Schreibende wie Gäste bei sommerlich heißem Wetter noch länger zusammen und diskutierten über das Gehörte. Die nächste Gelegenheit zum Lesen und Zuhören bietet sich schon am 27. Juni, wenn sich der Autorenkreis zu einer freien Lesung zum Thema „Übersinnliches“ im Café FilmBühne in Landsberg trifft.
Im Einzelnen für den Lesenden mit mehr Muße:
Mirlo Verdad, der sonst eher für seine philosophischen Prosatexte bekannt ist, startete den Lesereigen mit einem kürzeren Gedicht über Licht und Schatten, das die Zuhörenden gleich zweimal hören wollten. Es zeigte in teils düsteren Worten, dass auch der Schatten ein wichtiger Teil des Menschen ist. Im Dunkel verbergen sich die spannenden Seiten eines Menschen, erläuterte der Autor später.
Auch Franz Oberhofer, der sonst meist nachdenkliche Lyrik vorträgt, hatte diesmal die Kunstform gewechselt und die von einem Zeitungsbericht angeregte Erzählung „Cash-Crash auf C:“ mitgebracht. Er schilderte, wie sein lyrisches Ich beinahe dem Wahnsinn verfiel, weil es versehentlich eine alte Festplatte mit Bitcoins entsorgt hatte. Wie sich am Ende zeigte, brachte aber selbst KI nicht die erhofften Ergebnisse. Es war einer der Texte, die am Abend für den meisten Gesprächsstoff sorgten.
Barbara Koopmann blieb sich treu und trug einen Essay zum Thema vor. Sie begann mit dem Licht am frühen Morgen, mäanderte von Gedanken über unser Sonnensystem und die Physik des Lichtes über dessen Wichtigkeit in der Natur hin zum Schatten, der erschreckende Phantasien birgt, bis hin zur Nacht, in der der Körper durch Schlaf Erholung findet.
In der Folge entführte Boris Schneider die Zuhörenden in seiner Geschichte „Verbunden“ in die Welt seines Protagonisten, die durch den Wechsel von Licht und Schatten geprägt wurde. Parallel zu den kurzen Episoden aus dessen Leben, begann ein zartes Pflänzchen in dessen Vorgarten zu keimen. War dies alles miteinander verbunden?
Tina Vogel wollte sich in „Plädoyer für den Schatten“ partout nicht davon überzeigen lassen, dass dieser etwas Schlechtes sei. Während sie in der Jugend die Sonne noch genossen hätte, zöge sie im Alter den Schatten vor und ging sogar so weit, dass sie ihn liebe, allerdings nur an heißen Tagen, am besten unter einem Baum.
Nachdenklicher wurde es in Dieter Vogels Geschichte „Was bleibt“. Langsam lernte man in der Mitverfolgung des Gedankenkarussells seiner Protagonistin, das sich zwischen Sorgen um ihn, der nur noch ein Schattendasein fristete, Schuldgefühlen, einer Tasse Kaffee, dem Urlaub und der fehlenden Butter drehte, die zugrunde liegenden Schicksalsschläge kennen. Das Ende kam überraschend, als sich offenbarte, dass der nach einem Unfall vor vier Jahren verunglückte, im Heim befindliche Sohn verstorben war – mehr Schatten als Licht.
Bei Marianne Porsche-Rohrer ging es wieder fröhlicher zu. Sie entführte in dem Gedicht „Rettich“ aus ihrem Buch „Gute Gerüche aus der Naturheilküche“ in den Schatten eines Biergartens, wo man Bier, Brot und Rettich genießen konnte. Zum Abschluss gab sie mit „Mittelmeerdiät“ und „Teilen macht Spaß“ noch zwei Kostproben aus ihrem unlängst gedruckten Werk „Ich denke nur an die Figur“.
Carmen Kraus hatte zwei Gedichte dabei. Im ersten ließ das Licht des Tages die Probleme zu Sandkörnern auf dem Flur des Lebens und das Grauen zu Grau, ja zu weniger als einem Gr… schrumpfen. Im zweiten Gedicht zeigte sich im Schatten des eigenen Ich die andere Seite der Wahrheit, die sie nachts ammengleich in Sicherheit wiegt.
Als letzter Lesende kam Thomas Glatz an die Reihe. In einem eher humorvollen Gedicht schilderte er einen Versuch über die Dunkelheit, in dem der Dunkelexperte Herr Dost auszog, das Doppeldunkel zu erkunden, sich aber letztlich in der Dunkelheit verlor. Er schloss mit einem nur aus vier Worten bestehenden Ultrakurzgedicht, mit dem nicht nur der Abend endete, sondern nun auch dieser Bericht: Schwerelosigkeit – Sonnenball im Teich.
Dr. Boris Schneider
Foto von Manfred Schramm