Themenfreie Lesung in Buchloe - 21.6.2024
Lesung und Gespräche im kleinen Kreis
Nur sieben Autorinnen und Autoren hatten sich am 21. Juni im Café Morizz in Buchloe eingefunden. Als draußen gerade ein Gewitterregen Wassermassen auf die Straßen schüttete, eröffnete Moderator Boris Schneider den Abend mit Verweis auf die letzte Organisationsbesprechung. Bei dieser war auch intensiv über die Zahl der Lesenden und die Länge ihrer Beiträge diskutiert worden, da die vorhergehende Lesung im Deutschen Haus in Waal mit siebzehn Lesenden relativ lange gedauert hatte. Heute, so der Moderator, sei daher die Möglichkeit, auch einmal einen längeren Beitrag vorzutragen und darüber zu sprechen.
Der Zufall förderte als ersten Namen Tina Vogel aus dem Hut. Die Fuchstalerin berichtete auf humorvoll-sarkastische Weise über Knieschmerzen und die zahlreichen, oft widersprüchlichen Tipps zu deren Behebung (auf jeden Fall warmhalten – unbedingt kühlen). Von Salbe über Bewegung bis hin zum Ruhighalten wollte sich jedoch keine Besserung einstellen. So konnte man den Titel der Geschichte „Schmerzen – oder mehr hilft mehr“ am Ende getrost in Frage stellen.
Klaus Wuchner, dessen Text von Boris Schneider vorgetragen wurde, hatte einen Reisebericht aus Südtirol mitgebracht. Dieser weckte in den Zuhörern Reiselust und den Wunsch nach einem Original-Cappuccino von Barista Karl. Zahlreiche Wanderungen (wegen Verlust der Sohlen teils nur auf den Brandsohlen) durch den Botanischen Garten, über das Joch Meran 2000 und entlang des Marlinger Waalwegs standen auf dem Programm. Die Zuhörenden fanden, „Frühling in Meran“ sei eine Werbung, die direkt vom Tourismusbüro hätte stammen können.
Barbara Koopmann hatte sich für diesen Abend einer ganz neuen Aufgabe gewidmet und eine eindrucksvolle Serie von Haikus gestaltet. Anders als bei den klassischen japanischen Haikus hatte sie in der Gedichtform mit 17 Silben in drei Zeilen (5+7+5) nicht das Thema Natur gewählt, sondern die Lektüre ihrer Tageszeitung verarbeitet. Es ging um das Leid in der Welt, den Umgang mit Fakten zum Krieg bis hin zur Sinnfrage und gab viel Stoff zur Diskussion. Man beschloss gemeinsam, die Haiku-Serie zum Abschluss noch einmal hören zu wollen.
Als Vierter war George Olivier Pessianis an der Reihe. Der Kinderbuchautor berichtete zu Beginn von einer Lesung in Kempten, die nicht nach seinen Wünschen verlaufen war und ihn entsprechend beschäftigte. Schön, dass auch so etwas bei dem ruhigen Abend einmal möglich war. Im Anschluss trug er sein Reimgedicht „Fliege Klaus will wieder raus“ vor. Darin machte er sich humorvoll aus Sicht einer Fliege ein wenig neidisch Gedanken, warum sie immer wieder gegen die Scheibe donnert, wohingegen Bienen ohne Probleme den Weg zurück nach draußen finden.
Einen Reisebericht der anderen Art hatte Roland Greißl mit seinem Text „The German who doesn’t know the markings“ mitgebracht. Er berichtete von der Chinareise mit seiner Frau und deren Haustier, einer Spitzschlammschnecke. Vergeblich machte sich der Protagonist auf die Suche nach einer Katze im Hotel Goldener Drache, das nachts aus Angst vor der Mafia in einer anderen Farbe angestrichen wurde. Nachdem er wegen Unkenntnis von Markierungen beinahe von Radfahren überrollt worden wäre, war er überall bekannt als „der Deutsche, der die Markierungen nicht kennt“. Erst ganz am Ende wurde klar, dass es sich bei dem sehr sprunghaften Text nicht um einen Reise-, sondern einen Traumbericht handelte.
Da einmal Zeit war, hat auch Moderator Boris Schneider seinen Zettel in den Hut geworfen. Er las den Beginn seiner Märchenadaption „Solveig und Margret“ aus dem 2023 erschienenen Buch „Liebes-Märchen aus fernen Ländern“. Diese Geschichte sei nach Rückmeldungen von Lesenden verstörend. Die Frauenfreundschaft beider Protagonistinnen zerbricht, als die Eine die beginnende Liebe der Anderen zu einem Quasi-Entführer durch eine eigenmächtig eingeleitete Rettungsaktion zerstört. Gemeinsam konnte man hier noch beraten, warum dieses aus Island und damit einem uns eher verwandten Kulturkreis stammende Märchen verstörend wirkt.
Den Abschluss machte Dieter Vogel, der es in seiner „Reise nach Usbekistan“ nicht ganz bis nach China schaffte. Er trug den Beginn des Reiseberichts bis zur Ankunft in Taschkent vor. Auch die Anreise hielt schon viele interessante Anekdoten bereit, von der Bahnfahrt mit Krawatten tragenden Geschäftsleuten und einer ein Abteil verwüstenden Familie im ICE nach Frankfurt bis zum seltsamen, Ängste auslösenden Verhalten einiger Personen im verspäteten Flugzeug, was sich letztlich aber als Folge eines Krankentransports erwies.
Insgesamt war es ein etwas anderer, geruhsamer Abend mit viel Raum für Diskussionen und Gespräche über die vorgetragenen Texte.
Boris Schneider