Buchvorstellungen - 26.10.2018
Erntedank im Wörterwald
Unter dieser Überschrift hatten die Moderatoren Heidenore Glatz und Helmut Glatz – zwei nur über die Poesie verwandte Seelen – zur Büchervorstellung des Landsberger Autorenkreises eingeladen. Frau Hecht von der Bücherei Kaufering begrüßt erneut mit Begeisterung die Autorenfreunde, die aus einem weiten Umkreis zusammenkamen, um ihre reiche Ernte zu präsentieren.
Dr. Anna Katharina Freifrau von Schnurbein vom Kauferinger Kammertrio kündigt die Stücke des Abends an, die sie zusammen mit Annegret Fischer-Fey und Michael Fey spielen wird: „einfach Haydn“, und sie geben sogleich eine wunderbare Kostprobe ihres Könnens.
„Es war ein Jahr der Fülle“, stellt denn auch Heidenore Glatz in der Anmoderation fest. Was da nicht alles zusammenkam an Inspirationsquellen und fruchtbaren Gewächsen! Da waren Mimosen mit einem Hang zur Freiheit genauso vertreten wie selbstbewusste Kreaturen mit reizenden Spitzen, freche Früchtchen und vieles mehr. „Sie grübelten und zerbrachen sich die Köpfe … und weil sie daheim keinen Platz mehr hatten, packten sie es in Bücher.“ Endlich ist nun auch das dunkle Geheimnis reichlicher Publikation erhellt! „Buchstabendrechsler, Fantastiker und Haikuistiker“ bescheren also „auch heuer ein reiches Erntejahr“.
Dabei hatten sich viele bedeckt gegeben, so dass Helmut Glatz anfangs dachte, es käme „nichts Gescheits zusammen“, aber dann … Zehn Bücher waren zur Vorstellung angemeldet worden, fünf allein von Benno und Inifrau von Rechenberg, je eins von Marianne Porsche-Rohrer und Heidenore Glatz, ein Gemeinschaftsprojekt von Hans Schütz und Lore Kienzl, ein weiteres von Daniel Ableev und Helmut Glatz sowie ein anderes, initiiert von Helmut Glatz, trotz kleinen Formats zur großen Anthologie angewachsen. Wenn die Ausbeute weiterhin so anwächst, könnte der Landsberger Autorenkreis bald die ganze Bücherei allein füllen, gibt der Moderator zu bedenken.
Benno von Rechenberg, der bereits im langen Berufsleben als Jurist seine Formulierungskünste geschult hatte, lässt im Ruhestand seinen Gedanken gern freien Lauf und staunt über die Erlebnisfülle, die sich dadurch einstellt. Im Buch „Wind, Wind, sause!“ beschreibt er die liebestrunkenen Empfindungen des Moritz angesichts des Windes in den Weiden, Erlen und Birken. Er bewundert dessen Kraft als Baumeister des Waldes, wenn er im Sturm Bäume niederreißt, neue Biotope schaffend, und verzeiht ihm als Liebender selbst das Unverständliche, fasziniert davon, dass es diesem Wesen scheinbar mit Leichtigkeit gelingt, mit vielen Händen an vielen Stellen gleichzeitig anwesend zu sein – ein äußerst intensives Naturerlebnis.
„Wo ist Aschera?“ hat einen anderen Ansatz, eine uralte mythologische Geschichte um eine kanaanitische Gottheit, die sagenhafte Frau des Jahwe. Gab es sie wirklich? War sie das Fatschenkind hinter dem Schlingknöterich? War sie die Einsiedlerin, die ein brandaktuelles Manifest hinterlassen hatte? Ein leichtes Gruseln erfasst die Zuhörer, als sie dem spannenden Erzählstrang folgen.
Das Kammertrio setzt ein. Seit 15 Jahren musizieren sie gemeinsam, man hört es am perfekten Zusammenspiel beim „Andante“. Helmut Glatz kündigt die nächste Autorin an, mit gleich drei neuen Büchern.
Einfühlsam wird es bei Inifrau von Rechenberg. Die begnadete Erzählerin ist seit Jahren bekannt für ihre „Kindlwiegen“-Projekte in Ställen. Näher kann man nicht dran sein am Wunder der Geburt Christi. In ihrem Buch „Weihnachtsgeschichten“ ereignet sich in einer modernen Version Seltsames: Das Wasser läuft aufwärts, Computer schreiben pausenlos „Frieden auf Erden“, Nachtigallen singen nicht nur, sondern sprechen vom Sohn Gottes, Menschen tanzen auf den Straßen, der Fernseher schmettert nur noch „Halleluja“, eine riesige Energiequelle über Bethlehem lässt den Himmel aufgehen, und alles wird still … vor so vielen Zeitzeugen.
Weitere Bücher stellt sie vor, „Ich liebe dich, Gott“ und „Leuchttürme“, glühende oder sanfte Bekenntnisse zu dem, was ihr wichtig ist, was uns wichtig sein sollte: die Kontinuität der Verbindung zu den Ahnen, das in Trümmern vergrabene Lächeln der Heimatlosen, die stumme Stille im Gebälk eines Traumes, das Wahrnehmen des niedergebrannten Herzfeuers, die Anwesenheit Gottes gerade während der Bitterjahre.
Die Töne aus der Ecke des Kammertrios zeichnen ein musikalisches Abbild lebendiger Natur: das Wachsen und Tirilieren, das Brausen und Tanzen. Und schon sind wir gut vorbereitet für das Kommende.
Marianne Porsche-Rohrer, die unermüdlich schreibende Apothekerin und Heilpraktikerin, bringt uns seit zehn Jahren lustig-lyrische Naturheilkunde zu Gemüte. Ihr neues Buch „Gewürzkunde aus aller Munde“ ist soeben im Druck, doch in den letzten Monaten entstand bereits eins: „Doktor Wald hilft Jung und Alt“. Dessen Inhalt geht weit über das hinaus, was zurzeit als Waldbaden in aller Munde ist. In Gedichten von Eibe, Waldsperling, Maikäfer, Maulwurf, Zecke und Schnecke schafft sie mit der ihr eigenen optimistischen Unbeschwertheit spielend die Verbindung von Wissen und Vergnügen. Der Baum, der länger als zehn Menschenleben im Wald steht, einst zu Pfeil und Bogen für Unerschrockene verarbeitet, gibt heute Mut zum Überleben in der Onkologie. Dass Essen aus dem Wald immer Bio-Qualität hat, erfährt der Zuhörer ebenso wie Tipps zum Frischhalten des Regenwurmvorrats – für Maulwürfe überlebenswichtig, für uns schaurig-befremdlich, aber bewunderungswürdig. Schließlich bricht sie noch eine Lanze für die Ruhe, die keine Stille ist, zirpen doch Grillen, der Eichelhäher krächzt, der Specht klopft, die Vögel singen, die Bäume rauschen und die Winde brausen – und doch ist der Wald ein probates Mittel gegen Ohrensausen.
Die soeben erlangte Seelenruhe – Geige, Querflöte und Kontrabass greifen sie auf und verwirbeln sie mit Haydn zu einem zarten Säuseln.
Gerade recht, denn Hans Schütz und Lore Kienzl stellen das druckfrische Buch „Alles Haiku“ vor, ein Kleinod der Superlative. Beschwingt erzählen sie seine sich erst allmählich entwickelnde Entstehungsgeschichte bis zu den rund 500 Haikus und 44 Zeichnungen. Das Projekt, das den Geist des Lehrers nach dem Eintritt in den Ruhestand in Bewegung halten sollte, wurde zum Selbstläufer. Doch am Jahresende erlaubte er sich den Seufzer: „In Silben denken (5) / noch ein allerletztes Mal (7) / nie wieder Haikus (5)“. Keine Sorge, natürlich schreibt er wieder Haikus. Die politischen setzt der Umweltaktivist in die Zeitung OHA aus dem Pfaffenwinkel. Einige Kurzgedichte mit persönlicher Note liest Hans Schütz dann vor, und mancher Zuhörer nickt dazu, ja, so fühlt er es auch. Das Buch mit den verspielten naturalistischen Zeichnungen von Lore Kienzl wird am 9. November in festlichem Rahmen mit Musik ausführlich im Malura-Museum vorgestellt.
Geheimnisvoll zeigt Helmut Glatz das Büchlein „Hösens. Höherer Blödsens“ vor. Bescheiden erzählt er von einem unsinnigen Projekt, das aus dem Schriftverkehr mit dem Bonner Seltsamkeitsforscher und Lyrikfreund Daniel Ableev erwuchs. „Silben fallen aus den Bäumen“, steht darin, und dass man sich dumpfe Sorgen überall borgen kann, dass ein Singular beim Wandern mit einem Anderen sogleich einen Plural bildet und weitere kleine Wahrheiten, die man so nicht alle Tage antrifft. Beim Lauschen auf die lyrisch ausgefeilte Sprache schleicht sich das Gefühl ein, dass der Nonsens in diesem Buch nur ein raffiniertes Ablenkungsmanöver von seinem eigentlichen Wert ist.
Den „Gurnemanz“ stellt Helmut Glatz als Herausgeber vor. Ein wahres Kompendium von meditativen ZEN-Lehrgeschichten sei das Taschenbuch geworden. Wie es dazu kam? Am Anfang war nur ein Wort im Wörtersee, doch es vermehrte sich, Gurnemanz-Fischer stiegen ein, und in kürzester Zeit blähte es sich zu einem Werk mit neun Kapiteln und einem Zusatz auf. Unterwegs zu dieser Größe ließ Thomas Glatz als Illustrator noch einiges aus seiner Stiftspitze fließen – und schließlich schaffte es jemand, sogar ein Computerprogramm zu schreiben, das die Geschichten in Musik umsetzt! Als Fazit ließe sich sagen, dass Gurnemanz eins und alles ist – aber was ist schon wirklich?, fügt der Herausgeber mit ernsthaft verschlagenem Blick hinzu. Ihren kurzen Beitrag dazu liest Carmen B. Kraus gleich vor: „Gurnemanz und das Nichtfalsche“, eine Miniatur für entspannte Kommunikation und gelegentliche Reflexion.
Immerhin klingt das musikalische Stück danach kein bisschen falsch!
Immerhin klingt das musikalische Stück danach kein bisschen falsch!
Ganz dem Erntegedanken verbunden, stellt Heidenore Glatz ihr Buch „Ein Pfund Zwetschgen, bitte!“ vor, das bald einjähriges Bestehen feiern darf. Von den über 90 Kurzgeschichten liest sie, der Jahreszeit geschuldet, den „Adventshüpfer“. Was dieser Wichtel doch alles an Arbeiten abnehmen könnte, damit man dazu käme, eine wirklich stade Zeit zu haben, die Langsamkeit zelebrierend liebevoll Geschenke zu verpacken und dazwischen immer wieder mal … eine kleine Geschichte zu lesen. Ob er sich durch einen kleinen Seufzer und viel Neugier dazu bewegen lässt, auch bei uns vorbeizuhüpfen?
Hier schließt sich der Kreis der Buchvorstellungen. Doch Claire Guinin eröffnet auf charmante Weise einen neuen: Anhand ihrer diesjährig selbst verfassten Texte zeigt sie auf, welch vielfältige Themen der Landsberger Autorenkreis von seiner Januar-Lesung bis heute behandelt hat. Sogleich gibt sie einige ihrer 13 „Erträge“ zum Besten: Von Vater Lechs Sündenfall, einer gereimten Absage zum Weißwurstfrühstück, dem Schloss des Grafen Schreibenstein über das Lotterbett bis hin zum Planen, Erfinden und Verbinden, hält sie uns von Himmelhoch bis Höllentief weiter auf Trab im vorbestimmten Auf und Ab. Und dann wünscht sie sich noch, im Menschen möge ein Wunder geschehen, damit sich alles zum Guten wendet.
Gerwin Degmair tritt daraufhin an, dieses kleine Feuerwerk zu toppen. Zwar habe er sieben Bücher vollgeschrieben, aber gedruckt sei noch kein einziges. Was kaum einer weiß: Auch mit Aphorismen könnte er ein solches füllen. „Heute ist noch nichts passiert, doch das ging schon wie geschmiert“ und „Schmeicheln zu lieben, heißt, die Wahrheit ermorden“ und „Man träumt doch eher tief im eignen statt im fremden Mief“ befeuchten durchaus die Augenwinkel des Publikums. Dann wird es ernsthaft mit der Meditation „Euer täglich Brot“, des Schöpfers Angebot, das wir Tag für Tag neu erhalten, dazu den freien Willen, es anzunehmen oder auszuschlagen – bis wir seinen Wert erkennen.
Hier nimmt der Erntesegen im Wörterwald ein Ende, die Moderatorin dankt allen Beteiligten, den Vorträgern ebenso wie den Zuhörern, und Co-Moderator Helmut Glatz für die pfiffigen Überleitungen, vor allem aber Frau Hecht, die sich für den Bücher-umrahmten Abend so aktiv eingebracht hatte. Gern lädt diese auch künftig zu Lesungen hier ein: „Herzlich willkommen, es ist ein Ohrenschmaus!“ und das Kammertrio spielt ein beschwingtes Stück zum Aufbruch.
Manche haben so viele luftige Gedanken aufgenommen, dass sie fast hinausschweben, andere tragen schwer an neuen Büchern, die ihnen noch Höhenflüge bescheren werden. Draußen vor der Tür ist die Luft eisig, es riecht schon ein bisschen nach Schnee. Doch da ist noch etwas: Kann das sein? Ein Adventshüpfer?
Carmen B. Kraus